Oft nur bedingt aussagekräftig
Firmen-Rankings
Regelmäßig veröffentlichen auflagenstarke Medien die Ergebnisse von Kundenbefragungen. Kommunikations-Verantwortliche in Organisationen fragen sich dann oft, ob und wie sie ein positives Ergebnis nutzen sollen. Die Antwort: Das hängt von der Aussagekraft des Umfrage-Ergebnisses ab.
Hurra: Firma X ist laut einer Online-Umfrage der Marken-/Service-/Arbeitgeber-Champion in seinem Branchen-Segment. Die Zahl dieser Umfragen und der damit verknüpften Rankings ist hoch. Lohnt es sich für eine Organisation, eine Spitzen-Platzierung für seine Markt-Kommunikation zu nutzen? Im Prinzip ja, aber … möchte man mit der Einleitungsfloskel der legendären Radio Eriwan-Witze antworten. Die Älteren erinnern sich? Ein erster Platz mag die Kaufentscheidung der einen oder des anderen günstig beeinflussen. Belegt ist das allerdings nicht und wäre eine eigene Studie wert.
Kommunikations-Verantwortliche in den Organisationen hingegen sollten die Aussagekraft eines Ranking-Ergebnisses hinterfragen. Insbesondere dann, wenn ihre Organisation im Ranking nicht so gut platziert ist.
- Wie viele Personen haben an der Umfrage teilgenommen?
- Wie wurden sie befragt?
- Wie lauten die Fragen?
- Wie viele der befragten Personen äußerten sich zum Unternehmen / zur Marke?
- Wurden ihnen Namen von Unternehmen / Marken vorgegeben?
- Wurden sie nach ihren Favoriten in bestimmten Branchen befragt?
- Ist die Gruppe der Personen, die sich zum eigenen Unternehmen geäußert haben, repräsentativ in ihrer Zusammensetzung sowie in der Struktur der relevanten Merkmale der Grundgesamtheit?
- Sofern in einer Studie Ergebnisse aus zwei Zeiträumen miteinander verglichen werden: Wurden in beiden Zeiträumen dieselben Personen befragt?
- Gibt es Unterschiede hinsichtlich der Zahl der Personen, die geantwortet haben?
- Lässt eine positive Entwicklung des eigenen Unternehmens sich auf konkrete Maßnahmen oder Ereignisse zurückführen?
- Bergen die Ergebnisse Stolpersteine, die erst auf den zweiten sichtbar werden?
Idealerweise ist die Studie repräsentativ, das positive Umfrageergebnis nachvollziehbar und resultiert aus strategischen Maßnahmen der Organisation. In diesem Fall lohnt sich ein Beitrag in Owned und Paid Media. Auf Resonanz in Earned Media hingegen darf man weniger hoffen. Warum sollten Medien auf Rankings hinweisen, die Wettbewerber organisiert und publiziert haben? Ausnahmen bestätigen die Regel – doch sind tatsächlich selten.
FÜR LESERINNEN UND LESER MIT ETWAS MEHR ZEIT
In der Praxis lassen sich die oben gestellten Fragen nicht ohne Weiteres beantworten. Und liest man die Hinweise der durchführenden Organisationen zur Methode der Umfrage, ergeben sich daraus nicht selten Anschlussfragen.
Dazu ein Beispiel aus der Praxis
Zur Ermittlung der Marken-Champions 2021 gab die Analyse- und Beratungsgesellschaft ServiceValue in dem Artikel in DIE WELT vom 12.08. 2021 folgende Hinweise: „Basis des Rankings ist der wissenschaftlich belastbare „Brand Fascination Score" (BFS). Er wird per Kundenbefragung ermittelt und ist ein klares, verständliches und effizientes Messinstrument. Die entscheidende Frage: Bitte geben Sie an, ob Marke XY Sie persönlich begeistert. Die Befragten haben drei Antwortmöglichkeiten: „Ja", „Nein" oder „Ich kann die Marke nicht beurteilen bzw. kenne die Marke nicht." Als BFS ausgewiesen, wird der prozentuale Anteil an Befragten, die von der Marke begeistert sind.“ (…) Die Befragung erfolgt über ein Online-Panel mit über 900.000 registrierten Bürgerinnen und Bürgern. Grundsätzlich werden pro Unternehmen max. 1000 und min. 300 Stimmen - in Einzelfällen aufgrund Inzidenzrate und Kundenzahl auch weniger - eingeholt.“
Im Kleingedruckten unter dem Ranking heißt es: „Es wurden insgesamt über 880.000 Kundenurteile zu 2.198 Marken eingeholt. Methode und Kriterien sind oben beschrieben.“
„In das Marken-Ranking gehen sowohl die Urteile und Erlebnisse aktueller als auch ehemaliger Kunden (letzter Kontakt maximal 36 Monate zurückliegend) ein. (…) Die Liste berücksichtigt 2.198 Unternehmen / Marken. Ist ein Anbieter nicht aufgeführt und nicht untersucht worden, so heißt dies nicht, dass dieses fehlende Unternehmen am Markt nicht mehr existent ist bzw. seinen Kunden gegenüber keine Markenbegeisterung bietet. Ein Unternehmen wird aufgenommen, wenn sein Marktanteil (Kundenanzahl) hinreichend groß ist.“
Fragen über Fragen
Nun möchte man nach der Lektüre gerne wissen:
- Konnten die Befragten den Platzhalter XY in dem Satz Bitte geben Sie an, ob Marke XY Sie persönlich begeistert eigenständig durch einen Markennamen ersetzen, oder wurden ihnen Markennamen vorgegeben?
Die Antwortmöglichkeiten „Nein" oder „Ich kann die Marke nicht beurteilen bzw. kenne die Marke nicht." sprechen klar für die zweite Option.
Wenn den Befragten Markennamen zur Bewertung vorgegeben wurden, stellen sich zwangsläufig weitere Fragen:
- Wie viele Markennamen wurden vorgegeben? 2.198?
- Auf welcher Grundlage wurden die Markennamen ausgewählt?
- Erhielten sämtliche Befragten dieselben Markennamen als Vorgaben?
- Wurden bestimmten Gruppen nur Markennamen aus bestimmten Branchen genannt?
Und wenn es heißt: „Ein Unternehmen wird aufgenommen, wenn sein Marktanteil (Kundenanzahl) hinreichend groß ist“, stellt sich die Frage:
- Worauf bezieht sich der Verweis auf Marktanteil (Kundenanzahl)?
- Auf die Zahl von „min. 300 Stimmen - in Einzelfällen aufgrund Inzidenzrate und Kundenzahl auch weniger“?
Und weiter geht das Fragen: In dem Ranking belegt amazon mit dem BFS von 77,2 Prozent den ersten Platz sowohl im Branchenranking Online-Shops (Generalisten) als auch im branchenübergreifenden Gesamtranking. Das heißt: 77,2 Prozent der Befragten, die sich zu amazon geäußert haben, sind von der Marke persönlich begeistert.
- Doch auf wie viele Befragte beziehen sich die 77,2 Prozent?
- Auf die maximal 1.000 eingeholten Stimmen pro Unternehmen?
- Auf die mindestens 300 eingeholten Stimmen (in Einzelfällen aufgrund Inzidenzrate und Kundenzahl auch weniger)?
- Auf eine beliebige Zahl dazwischen?
Diese Fragen gelten für sämtliche BFS der aufgelisteten Marken.
Fachmarke schlägt Weltmarke (?)
Was erstaunt: Einerseits tummeln sich unter den Top 50 des Gesamtrankings etliche Marken, von denen sich behaupten lässt: Die kennen sehr viele: LEGO, Samsung, dm-Drogeriemärkte, Adidas, Mercedes-Benz, AEG, Lidl, MediaMarkt. Andererseits rangiert auf Platz 5 mit 73,2 Prozent die Marke Weber. Frage: Welches Produkt oder welchen Service verbindet man damit? Auch die in den Top 50 gelisteten Marken posterxxl.de, Keuco, HARO, Paulmann, Somfy und Reuter werden dem Gros der Konsumierenden nicht so geläufig sein wie Mercedes Benz und Co. Um sie zu kennen, bedarf es einer gewissen Affinität zu jenen Produkttypen, für die sie stehen.
Weitere Fragen:
- Beruhen der BSF von Mercedes-Benz (67,1 Prozent) und der BSF von Weber (73,2 Prozent) auf ähnlich großen Zahlen der befragten Personen?
- Falls nicht: Was bedeutet das für die Aussagekraft des Gesamtrankings?
- In welcher Hinsicht – außer der rein quantitativen – ist die Marke Paulmann (BFS 63,3 Prozent) besser als die Marken Jack Wolfskin (BFS 60,7 Prozent) und Douglas (BFS 59,8 Prozent)?
Selbstverständlich können die Organisatoren der Umfrage auf derartige Fragen keine Antworten geben. Ebenso wenig können sie die Ergebnisse in den einzelnen Branchen begründen. Dies ist auch nicht ihre Aufgabe. Wichtig hingegen ist, dass ihre Ergebnisse nachvollziehbar und repräsentativ sind. In dieser Hinsicht wäre die eine oder andere Zusatzangabe zweifellos hilfreich und würde die Aussagekraft und somit den Wert des Rankings erhöhen